Eine Ausstellung in Thüringen zeigt, was Ostdeutsche aus ihrem Begrüßungsgeld gemacht haben
Als Peggy Meinfelder am 11. November 1989 mit ihrer Familie zum ersten Mal über die deutsch-deutsche Grenze kam, wusste sie genau was sie wollte: Ein Sweatshirt mit englischer Aufschrift. "Das war für mich irgendwie international", sagt sie heute. Also ging die damals 14-Jährige mit ihrem Begrüßungsgeld in den Kaufhof im bayerischen Coburg wo sie für 29,95 Mark schnell fündig wurde.
Das Sweatshirt, das sie damals bald an die jüngere Schwester weitergab, hat Peggy Meinfelder schon lange nicht mehr. Doch die Künstlerin aus dem thüringischen Hildburghausen erinnerte sich Jahre später wieder daran, als sie im Rahmen eines Kunstprojektes über die Wertigkeit von Gebrauchsgegenständen nachdachte. Was, so fragte sie sich, ist eigentlich noch von dem da, was kurz nach dem Mauerfall gekauft wurde? In diesem merkwürdigen Moment, der lang gehegte, millionenfache Sehnsüchte stillen sollte. Einem Moment, in dem "die 100 Mark Begrüßungsgeld ja wirklich alles bedeuteten."
Und so begann Peggy Meinfelder vor drei Jahren herumzufragen und zu sammeln. Erst in der Familie, dann bei Freunden, später bei Nachbarn oder auf Klassentreffen. Die Künstlerin hortete Radiowecker und Kassettenrekorder, Lederjacken und Jeans, Barbiepuppen, Schallplatten und künstliche Christbäume. Vor allem aber sammelte sie Geschichten, die von einer kurzen Zeit des Übergangs erzählen und ihr seltsames Archiv der Sehnsucht erklären. Ein Archiv aus Gegenständen, die die Schnelllebigkeit der neuen Zeit repräsentieren, auch wenn sie den Wünschen der alten entsprachen.
Von diesem Donnerstag an wird die Ausstellung "Meine ersten 100 Westmark" in der Städtischen Galerie Sonneberg (Thüringen) gezeigt. Meinfelder hat bewusst darauf verzichtet, ihre 70 Ausstellungsstücke einzuordnen oder aus ihnen Tendenzen abzuleiten, auch wenn - wie sie zugibt - die Radiogeräte in der Überzahl seien. Die Gegenstände stünden nicht für eine kollektive Konsumpsychose, sondern für Einzelpersonen, sagt sie, und darin mag auch ein Reiz liegen. Denn so erfährt man von enttäuschten Hoffnungen, wie bei Peter H., der auf seiner Milli-Vanilli-Platte "nur ein gutes Lied" fand. Oder von weiser Voraussicht, wie bei Familie E., die ihr Begrüßungsgeld in ein Sparbuch einzahlte - für den Hauskauf. Und mitunter wird sie sehr persönlich, wie bei Gesine S., die in Eheringe investierte und heute keinen Goldschmuck mehr trägt, weil ihre Ehe vor sechs Jahren geschieden wurde.
Von Marten Rolff: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/345924
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