Ungarn in Deutschland, Deutsche in Ungarn nach 1945
Erfahrungsbericht:
Der Kontakt wurde vermittelt durch Frau Tekla Dunay, die als Landesprogrammlehrkraft für zwei Jahre am Friedrich-Schiller-Gymnasium eingesetzt ist.
Die Begegnung fand im Rahmen eines Projekts zum Thema: „Ungarn in Deutschland, Deutsche in Ungarn nach 1945“ - mit dem Ziel, zu recherchieren, Interviews durchzuführen, eine Radiosendung zu erstellen, die sowohl in Ungarn als auch im Bayerischen Rundfunk gesendet wird, zu erstellen.
Inhaltsverzeichnis |
Vorbereitungsphase:
1. 22./23.10. 2007 in Oberasbach, (Th. Dunay in Oberasbach, Absprache mit Kolleginnen und Schülern der 10. Klasse) da ungarische Schüler einer 10. Klasse Interesse an der Erarbeitung eines Projektes mit einer deutschen Schule hatten; thematische, methodische, programmatische, finanzielle Planung
2. 21.1.-25.1.2008 in Berlin (ung. Lehrerin und ein ungarischer Schüler sowie 1 dt. Lehrerin und eine deutsche Schülerin), besprachen die Ziele, Methoden, Feedback, Programme der gegenseitigen Besuche. Die Schüler ordneten die Gastfamilien zu und die Lehrer erstellten eine finanzielle Planung
Durchführung:
Bereits im Februar, März und April haben die Schüler selbständig Recherchen zum Thema m Internet, in der Literatur, an den Wohnorten und der Umgebung durchgeführt. Auch die Interviews mit den Zeitzeugen in Ungarn als auch in Deutschland wurden gemacht. Ausstellungsmaterial wurde vorbereitet.
1. Begegnung vom 29.04. – 06.05.2008 in Ungarn
Die deutschen Schüler der 10. Klasse am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium führten ein gemeinsames Programm während des ganzen Aufenthaltes durch. Selbst abends und in der Freizeit waren die Groß- gruppen zusammen. Der Besuch einer Sitzung im Parlament konnte kostenlos organisiert werden. Die Schüler waren von der Möglichkeit Politiker hautnah und live zu erleben sehr beeindruckt. Am letzten Tag erstellten sie eine Ausstellung, die in der Aula der Partnerschule zu sehen war. (Fotos können beigelegt werden)
Auch hat der örtliche Fernsehsender: PilisTV einen Bericht zusammengestellt, der eine Woche lang in den Orten der Umgebung zu sehen war. (Die Sendung kann als DVD mit deutscher Übersetzung zur Verfügung gestellt werden). In der ungarischen Öffentlichkeit gab es mehrere Presseberichte.
Im Mai wurde ein Teil der Interviews für die Radiosendung geschnitten.
2. Begegnung vom 29.05. – 05.06.2008 in Deutschland
Die ungarischen Schüler führten mit den deutschen Schülern das Programm gemeinsam durch. Nur bei den Führungen in der Stadt Nürnberg und am Dokumentationszentrum trennten wir wegen der unterschiedlichen Vorkenntnisse, an den Programmpunkten vorher und nachher blieben sie zusammen. Wie in Ungarn zeigte es sich, dass die Klassen zusammen blieben in ihrer Freizeit auch. Die Schüler kommentierten selbst, dass durch die bestehende Klassengemeinschaft und durch die gemeinsame Arbeit am Projekt über einen längeren Zeitraum, der Gruppenzusammenhalt immer stärker wurde.
Am Programm konnten wir zahlreiche Politiker gewinnen: einen Landtagsabgeordneten, den Landrat von Landkreis Fürth, die Bürgermeister von Oberasbach und Zirndorf und auch Mitarbeiter der Zentralstelle für Flüchtlinge und des Bundesamtes für Migration, sowie der Stadt Nürnberg.
Die Begegnung wurde in der Presse dokumentiert (in Deutschland in den Fürther Nachrichten (2 Artikel)und auch in Ungarn in der örtlichen deutschsprachigen Presse (Pilisvörösvarer Zeitung) und in der deutsch- sprachigen Presse: Neue Zeitung als auch in der ungarischen landesweiten Népszabadság.
Im Juni und Juli wurden die weiteren Interviews geschnitten. Am 2. Juli konnte noch ein zweites Interview
mit einem sehr bekannten Nürnberger Künstler ungarischer Abstammung geführt werden. Die Radiosendung
kann hiermit beendet werden und soll im Juli noch in MR4 und im bayerischen Rundfunk gesendet werden.
Konzept
Entstehung des Konzeptes
Die Projektidee entstand auf Anregung der ungarischen Schüler. Die 10. Klasse behandelte in dem Lehrbuch für Deutsch als Fremdsprache das Thema „Heimat“.- wo sind wir zu Hause?“ Sie bekundeten Interesse, warum deutsche Gastlehrer an der Schule arbeiteten, warum die eine Gastlehrerin ungarischer Herkunft sei, aber in Deutschland aufwuchs. Sie fragten sich, warum 20 Schüler des ehemaligen Ungarischen Gymnasium in Kastl/Opf. jetzt auf ihre Schule in Ungarn gehen. Anlässlich der Gedenkfeier der Revolution 1956 im Oktober und der Inhalte des Geschichtsunterrichts in der 9. und 10. Klasse entstand Interesse mehr über die Flucht und Vertreibung von Ungarndeutschen und den Gründen für Flucht und Emigration 1956 zu erfahren.
Auf der anderen Seite fragten sich die Schüler, die aus Deutschland kamen, warum Ungarndeutsche in Ungarn leben, warum sie vertrieben wurden nach 1945, jetzt tlw. wieder zurückkehrten und warum die ältere Generation Deutsch spricht und jetzt verstärkt die ungarndeutsche Kultur in Pilisvörösvár und Umgebung pflegt. sowie eine ungarndeutsche Jugendorganisation aktiv ist.
Es entstand die Idee, Zeitzeugen zu interviewen und eine Radiosendung zu den historischen Hintergründen, zu Fragen der Vertreibung, Flucht, Integration und kulturelle Identität zu machen. Die ungarische 9./10. Klasse bemühte sich um einen Kontakt zu einer deutschen Klasse. Dieser Kontakt wurde durch die Landesprogrammlehrkraft Frau Dunay zum Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium hergestellt. Dort zeigte sich eine 10. Klasse motiviert an diesen Themen zusammen mit der ungarischen 9./10. Klasse zu arbeiten.
Sowohl die Schüler, ihre Familien als auch die jeweilige Schulleitung unterstützen dieses Projektvorhaben
Schülerbeteiligung:
Wie sind die Schüler/-innen an der Planung der Veranstaltung beteiligt, wie werden sie auf die Maßnahme vorbereitet, wo bestimmen sie den Programmablauf?
Die inhaltlichen Fragen sind mit den jeweiligen Klassen zusammen im Unterricht und mit einer Abordnung von Schülern außerhalb des Unterrichts gemeinsam besprochen worden. Die Schüler brachten Vorschläge, welche Zeitzeugen interviewt werden könnten, wie der zeitliche Ablauf geplant werden kann... Im Januar haben zwei Vertreter der jeweiligen Klassen die Gastfamilien selbständig zugeordnet. Sie waren an der Planung des Programms laufend beteiligt. Die Aufteilung der Aufgaben wurde auch mit den Schülern zusammen formuliert. Alle Schüler waren in einzelnen Arbeitsgruppen aktiv und übernahmen Teilbereiche. (vgl. Anhang)
Die Schüler an beiden Schulen beteiligen sich an der Vorbereitung: innerhalb des Unterrichts in verschiedenen Fächern; durch Brainstorming, durch das Lehrmaterial, durch die Teilnahme an Vorbereitungstreffen, durch die gemeinsame Planung der Inhalte, der Fragebögen, bei der Arbeitsaufteilung, durch die Durchführung der Interviews von Zeitzeugen, der Planung der beiden Begegnungen, durch das gemeinsame Erstellen der Radiosendung.
Die Zeitzeugen werden mit Hilfe von gemeinsam erstellten Fragebögen interviewt.
Zusammenfassung der Ziele und Themen:
Im Mittelpunkt des Projektes steht die Integration der Ungarn in die deutsche Gesellschaft nach 1945 und 1956 und das Zusammenleben der Ungarndeutschen mit den Ungarn nach der Vertreibung (1945/46).
Ist die Integration der ungarischen Flüchtlinge in eine fremde Umgebung gelungen? Inwieweit können die Ungarndeutschen ihre kulturelle Identität in Ungarn bewahren?
Durch die Interviews von Schülern mit den Zeitzeugen lernten die Schüler historische Zusammenhänge kennen, und durch die Beispiele konnten sie die Möglichkeiten einer gelungenen Integration in die multikulturelle Gesellschaft im heutigen vereinten Europa erfahren.
Interviews:
Der Personenkreis, der in Deutschland interviewt wurde, waren
a) Vertriebene Ungarndeutsche bzw. Donauschwaben, Sachsen (1945/46)
b) Flüchtlinge und politische Emigranten der gescheiterten Revolution 1956 in Ungarn
c) Lehrer und Schüler des Europäisch-Ungarischen Gymnasiums in Kastl/Bayern und die Vertreter der politischen Institutionen, die sich mit der Integration von Flüchtlingen befassen (Bundesamt für Flüchtlinge und Migration, Landtagsabgeordnete, Bürgermeister u.a.)
Der Personenkreis, der in Ungarn interviewt wurde, waren
a) ungarndeutsche Familienangehörige der Schüler
b) Lehrer und Schüler des Ungarndeutschen Gymnasiums
c) Repräsentanten der Institute für die ungarndeutsche Minorität in Ungarn
Den Schülern wurde bewusst, dass in ihrer Umgebung in Bayern Ungarndeutsche gibt, die nach 1945 vertrieben worden und viele Ungarn 1956 geflüchtet sind. Sie haben in Deutschland ihre zweite
Heimat gefunden und sind erfolgreich integriert.
Es wurde auch bewusst gemacht, dass in Ungarn eine ungarndeutsche Minderheit gibt, die nach der Unterdrückung im sozialistischen Ungarn seit 1990 jetzt beispielhafte Sonderrechte genießt.
Die Fragestellungen waren u.a.:
- Woher kommen wir?
- Warum wurden Ungarndeutsche aus Ungarn vertrieben?
- Warum mussten so viele ungarische Staatsbürger ihre Heimat verlassen?
- Wie konnten die ungarischen Flüchtlinge in Deutschland eine neue Heimat finden?
- Welche gesetzliche Regelung ermöglichte die Integration der Flüchtlinge?
- Mit welchen Mitteln förderte der deutsche Staat ihre Integration?
- Welche Sonderrechte haben Ungarndeutsche in Ungarn?
- Wie konnten und können die Ungarn in Deutschland und die Ungarndeutsche in Ungarn ihre Identität bewahren?
- Wie weit konnten und können die Flüchtlinge und die Ungarndeutschen ihre Muttersprache bewahren?
- Auf welchen Gebieten der Kultur und des Alltagslebens kann man die Spuren der Doppelidentität finden?
Erreichte Ziele:
a) Durch die Präsentation der gelungenen Integration konnten wir die Toleranzidee fördern, Vorurteile abbauen und einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten.
Den Schülern wurden die historischen Ereignisse (Vertreibung, Kalter Krieg, Revolution 1956) vermittelt und durch Zeitzeugen verschiedener Generationen lebendig gemacht. Sie erkannten, dass Integration gelingen und dass man eine Doppelidentität bewahren kann.
Die Schüler haben in der eigenen Familie nachgeforscht und erstellten einen Stammbaum. Sie erkannten ihre eigenen Wurzeln und überdachten ihre Identität in einem vereinten Europa. (s. Ausstellungplakat, Interviews)
b) Durch die gemeinsame Erarbeitung des Projektes und persönlichen Begegnungen konnten die Schüler und Lehrer über nationale Grenzen hinweg Kontakte aufbauen, einen aktiven Dialog zwischen West- und Mitteleuropa aufrechterhalten, eine Annäherung der Generationen erreichen, Verständnis füreinander gewinnen und auch bleibende Freundschaften schließen. Teile der Schüler planen einen erneuten Besuch in den Sommer- und in den Herbstferien 2008.
Bei wachsender beruflicher Mobilität im vereinten Europa wurde die Offenheit und Bereitschaft zur Integration in eine neue Gesellschaft gefördert. Eine deutsche Schülerin beabsichtigt in der Redaktion von Pester Lloyd im Sommer ein Praktikum zu machen.
d) Die Ergebnisse der gemeinsamen Recherchen wurden in Ausstellungen in Ungarn und in Deutschland sowie In von Schülern geschriebenen Zeitungsartikeln dokumentiert und die Interviews mit Zeitzeugen in der Form einer Radiosendung fertiggestellt.
Wie wird die Erreichung dieser Ziele überprüft? Welche Kriterien wurden festgelegt, um den Erfolg des Projekts zu bewerten? Evaluation Die Evaluation erfolgte am Ende der ersten Begegnung in der Form eines Fragebogens. Am Ende der 2. Begegnung wurde eine emotionale, atmosphärische Aufstellung gemacht, eine Karten- abfrage erstellt sowie ein gemeinsame Wandtafel erstellt (s. Foto: „Die Donau verbindet uns“)
Die Kriterien waren:
Inhaltlich: Inwieweit konnten die Schüler ihre historischen Kenntnisse erweitern? Haben sie neue Informationen über eine andere Nation erhalten? Personenbezogen: Halten die Schüler diese Beispiele der gelungenen Integration für ihr eigenes Leben für wichtig? Ist den Schülern die eigene Identität bewusster geworden? Welche Einblicke haben sie durch den persönlichen Kontakt mit Zeitzeugen und Jugendlichen einer anderen Nation gewonnen? Ergebnisorientiert: Ist die Erstellung einer Radiosendung gelungen?
Arbeitsmethoden :
Einzel-/Gruppenarbeit als Sozialform; Internetrecherche und Dokumentrecherche; Gespräche mit und Interviews von Zeitzeugen; Referate an authentischen Stätten; Besichtigung von historischen Stätten; Schüleraustausch; Erstellung einer Radiosendung als Endprodukt ist eine Radiosendung, die im Bayerischen Rundfunk und i m Ungarischen Rundfunk gesendet wird.
Öffentlichkeit:
Es erschienen Artikel in der Schülerzeitung, sowie in der örtlichen, regionalen und nationalen ungarischen Presse, die Arbeitsergebnisse wurden in Ausstellungen an beiden Schulen präsentiert.
Es wurde eine Sendung im Pilis TV erstellt.
Die Radiosendungen – eine kurze und eine 30-minütige Fassung werden im Schülerradio am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, im Bayerischen Rundfunk und im Ungarischen Rundfunk: MR4 übertragen.
Zusammenfassende Bemerkungen:
Dieses groß angelegte Projekt, das fast ein ganzes Schuljahr dauerte, wurde von vier Lehrerinnen, die eng über die Grenzen hinweg zusammen gearbeitet haben, getragen. Die Zusammenarbeit war sehr effektiv und fruchtbar, wenn auch sehr umfangreich. Die Schulleitungen und Kollegen haben es unterstützt und mitgetragen.
Das Projekt fand eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, die für beide Schulen von großer positiver Außenwirkung war.
Für die Schüler war es sehr arbeitsintensiv und produktiv. Sie haben das Projekt initiiert und durchgängig mitgetragen. Das Vorbereitungstreffen im Januar war sehr effektiv. Ab diesem Zeitraum haben die Partner schon einen regen und starken Kontakt per e-mail und Telefon zueinander gehabt. Dadurch war die Stimmung durchweg positiv, zum Teil euphorisch. Sie hatten offensichtlich Spaß in allen Phasen des Projekts zusammen zu arbeiten und zusammen zu sein. Wir hoffen sehr, dass viele dieser Kontakte dauerhaft weiter bestehen.
Die Eltern haben diese Projekts stark unterstützt und zur positiven Stimmung bei den Aufenthalten geführt.
Andere Klassen haben diese Aktivitäten stark verfolgt und äußerten schon den Wunsch, auch so ein Projekt machen zu können.
Die Schüler haben inhaltlich viel von Zeitgeschichte, Politik, Medien, sozialen Verhältnissen in zwei unterschiedlichen europäischen Staaten gelernt. Wir hoffen, dass diese Erfahrungen sie geprägt haben. Die ungarischen Schüler können die Ergebnisse der Projektarbeit in fachlichen und der DSD II Prüfung nochmals verwenden.
Der Bayerische Rundfunk unterstützte die Arbeit der von ihr in Lehrgängen geschulten Radiogruppe, die die technische Seite möglich gemacht hat.
Präsentation der Radiosendung
MR4-Interview mit Frau Tekla Dunay über das Projekt (FSG-DBG 18.-21.03.08)
MR4-Interview mit Schülern des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums